Iss doch was Du willst – und nimm ab
Letztens hat es mich doch glatt mal wieder an meine Suchtstätte Nummer eins verschlagen: in einen Buchladen. Dort fiel mir ein Buch in die Hand von Lena Bredow: „Iss doch was Du willst“. Ein Buch übers abnehmen sollte es sein. Die Theorie ist so bestechend einfach wie verlockend. Wenn wir nur essen, was wir wollen, dann nehmen wir ab – so wir denn ein paar Pfund zu viel haben. Damit das funktionieren könnte, heißt die zentrale Frage aber erst einmal: Was wollen wir überhaupt essen? Als moderner Mensch ist man nämlich mit einer ganzen Reihe von Versuchungen, Gewohnheiten und Tricks konfrontiert, die verschleiern, was wir wirklich essen wollen – und wie viel. Ich habe für Sie einmal die Fallstricke ausgegraben, die diese einfache Diättheorie sehr schnell zunichtemachen können.
„Du isst aber auf!“ – Erziehung und Essverhalten
Wer dicke Kinder mit dicken Eltern in der Stadt sieht, meint oft, das seien „die Gene“. Dabei ist vieles, was unser Essverhalten und damit auch unsere Figur betrifft, anerzogen und vorgelebt. Wer kennt nicht den Satz von Mutter oder Vater: „Kind, iss Deinen Teller leer.“ Dabei hat man oft schon gar keinen Hunger mehr gehabt. Aber als braves Kind isst man ja auf. Als Erwachsener dann immer noch – obwohl es weder Mutter noch Vater schert, ob wir brav unseren Teller leer essen. Wir haben es als Kinder einfach so gelernt und als Erwachsene beibehalten. Kaum jemand hinterfragt dieses Schema. Zu vertraut ist es uns – und betrügt uns bei der Frage, wie viel wir denn nun wirklich essen wollen.
Löblich und ebenfalls weit verbreitet ist das Motto: „Das isst Du jetzt, damit es nicht schlecht wird.“ Lebensmittel lässt man nicht vergammeln. Ethisch gesehen sind dafür Lebewesen – ganz gleich ob Tier, Pilz oder Pflanze – gestorben. Wirtschaftlich ist es Unsinn, Lebensmittel verkommen zu lassen. Auch das lernen wir schon als Kinder. Es wird also nicht gegessen, was auf den Tisch kommt, sondern es kommt auf den Tisch, was gegessen werden muss. Muss ist hier das entscheidende Wort. Wieder prägt sich ein Muster ein, das mitunter wenig mit dem zu tun hat, was wir wirklich essen wollen.
Zu guter Letzt lernen wir als Kinder in unserer Familie auch, was man essen kann und essen sollte. Es prägen sich Vorlieben und Abneigungen aus, die nicht nur in unseren Geschmacksknospen begründet liegen, sondern auch im Essverhalten unserer Eltern und anderen Verwandten und Bekannten. Kinder, die morgens begeistert vor der Müslischüssel sitzen, fleißig Gemüse knabbern und sich generell für eine leichte, gesunde Küche begeistern lassen, haben dies zu Hause gelernt. Genauso haben Burger- und Pizza-Fans ihr Essverhalten zu Hause gelernt. Und wen wundert es, dass Kinder Fertiggerichte lieben, wenn deren Eltern nicht kochen können? Es gibt vermutlich zu Hause gar nichts anderes. Wie schwer es wird, herauszufinden, was wir wirklich essen wollen, hängt also auch mit dem Essverhalten und den Essgewohnheiten in unserer Familie zusammen.
Warum können wir mit Chips nicht aufhören? – Food-Design, Geschmacksverstärker und Aromastoffe
Wissen Sie, wie richtige Erdbeeren schmecken? Oder Champignons? Oder Mangos und Zucchini? Klar, werden Sie jetzt vielleicht sagen. Aber bei fast allen von uns hat die Lebensmittelindustrie Spuren hinterlassen. Je nach Ernährungsgewohnheiten sind wir alle schon mal dem sogenannten Food-Design aufgesessen. BASF lässt heute bei der Nahrungsmittelherstellung genauso grüßen wie mehr oder minder komplizierte Verfahren, um einem Lebensmittel eine bestimmte Konsistenz, Farbe oder andere Eigenschaft zu geben. Wie müssen Chips knuspern, damit der Kunde die Tüte leer isst? Wie bäckt man die perfekte Fertigpizza, die der Kunde auch immer wieder kauft, weil sie sooo toll ist? Diese Fragen beschäftigen ganze Industriezweige, die Verfahren, Aromen, Lebensmittelfarben und vieles mehr entwickeln, nur damit unser Essen lecker aussieht, riecht – und schmeckt.
Wenn uns also die Lebensmittelindustrie heute schon vorgibt, was wie zu schmecken und zu sein hat, woher wissen wir dann, was wir wirklich essen wollen? Das ist gar nicht so einfach, wie es bei diesem Thema klingt. Wer schon einmal von Fertigfutter auf frisch gekochtes Essen umgestiegen ist oder es zumindest versucht hat, wird wissen, was ich meine. Natürliches Essen kann ohne die künstlichen Verstärker anfangs ziemlich fade schmecken. Auch die Farben mögen uns anfangs mitunter etwas blass, ungewohnt oder sogar unappetitlich erscheinen. Je mehr Fertiggerichte jemand vorher gegessen hat und je weniger natürliche Lebensmittel er oder sie kannte, umso krasser wird der Unterschied. Ganz schwierig wird es, wenn jemand kaum oder gar keine unverarbeiteten Lebensmittel isst. Geschmacksempfinden und das Erlebnis der Lebensmittel können das Motto „iss doch, was Du willst“ zur echten Herausforderung machen.
Nicht zuletzt zerstören Geschmacksverstärker und Aromastoffe die natürliche Funktion von Hunger und Appetit. Sie sorgen nämlich dafür, dass unsere Sinne in die Irre gehen und außerdem dafür, dass wir viel mehr essen, als wir sollten und brauchen. Wer also bei Fertiggerichten bleiben und abnehmen möchte, kann sich von dem so verlockend klingenden Diät-Motto schon verabschieden. Es kann nicht funktionieren, da die künstlichen Lebensmittel gar nicht wollen, dass es funktioniert.
Wie viel ist (zu) viel? – Essstörungen
Ein trauriges Kapitel unserer Zeit und unserer Ernährung sind die Essstörungen. Ich will sie hier nicht unterschlagen, da sie gerade bei Figurbewusstsein, Diät und Abnehmen eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen – und weil sie einen erheblichen Einfluss darauf haben, was wir meinen, essen zu wollen oder auch nicht.
Essstörungen zerstören nicht nur das Bild vom eigenen Körper. Sie zerstören mitunter auch das Sättigungsgefühl, das Hungergefühl oder ganz simpel das Gefühl, was eine normale Portionsgröße ist. „Iss doch, was Du willst“ ist für Menschen mit Essstörungen eine besondere Herausforderung Es kann jedoch auch eine Hilfe zu mehr Selbst-Bewusstsein sein und zu einem gesünderen Umgang mit Lebensmitteln und dem Thema „Essen“. Mitunter können Essstörungen diesen Diätansatz aber auch völlig zunichtemachen.
Fazit: Können wir wirklich essen, was wir wollen?
Woher soll der Kopf wissen, was in den Magen muss, weil es der Körper wirklich braucht – denn darum geht es hier: Zu wissen, was man essen will, ist ganz einfach zu wissen, was der wirklich Körper braucht. Die These ist denkbar einfach. Wie Tiere wissen auch wir instinktiv, was wir brauchen. Nur haben unsere modernen Gewohnheiten und Technologien vieles davon überdeckt. Wenn wir also wieder so viel essen würden, wie wir Hunger haben und das essen, worauf wir Hunger haben, hätten wir kein Übergewicht.
Soweit zur grauen Theorie. Ich bin bei der Recherche neugierig geworden und werde es auspobieren. Ob und wie es funktioniert, können Sie dann hier auf koerper.com nachlesen – und vielleicht mitmachen und selbst das Experiment „iss doch, was Du willst“ wagen!
Online Redakteurin Elizabetha wagt das Experiment „Iss doch, was Du willst“. Lesen Sie hier demnächst:
- eine kleine Vorstellung unserer Experimentierwilligen
- kleine Stolpersteine auf dem Weg
- erste Erkenntnisse, wie das funktioniert mit diesem „iss doch, was Du willst“